Friederike Otto: Ungleichheit, Reichtum und Sexismus verschärfen die Klimakrise
Die renommierte Klimaforscherin Friederike Otto, Dozentin am Imperial College London und Mitgründerin der Initiative World Weather Attribution, stellt in ihrem Buch „Klimaungerechtigkeit – was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus zu tun hat“ (Ullstein Verlag, 2023) die These auf, dass die Klimakrise ein Symptom globaler Ungleichheit ist. Im Interview mit der Freitag betont sie, dass nicht nur die physikalische Menge an Kohlenstoff in der Atmosphäre entscheidend ist, sondern auch, wer von der Verbrennung fossiler Brennstoffe profitiert. Laut Otto sind es vor allem vermögende Personen, die an Unternehmen beteiligt sind oder diese besitzen, während die große Mehrheit der Menschen nicht profitiert.
Otto argumentiert, dass Rassismus, Kolonialismus und Sexismus zentrale Ursachen für die globale Erwärmung sind. In ihren Studien zeigt sich, dass patriarchale Strukturen die Folgen des Klimawandels verschärfen: Wenn Frauen von Entscheidungen ausgeschlossen sind und keinen Zugang zu Finanzierung haben, sterben bei extremem Wetter mehr Menschen oder verlieren ihre Lebensgrundlage. Sie hält den Begriff „Naturkatastrophe“ für irreführend, da die Anfälligkeit für Katastrophen maßgeblich von sozialen Bedingungen abhängt.
- Die Klimakrise ist laut Otto ein Symptom globaler Ungleichheit.
- Patriarchale Strukturen und soziale Ungleichheiten verschärfen die Auswirkungen von Extremwetterereignissen.
- Die Mehrheit der Menschen profitiert nicht von der Verbrennung fossiler Brennstoffe.
„Was das Wetter in eine Katastrophe verwandelt, ist nicht die Regenmenge, sondern wie verletzlich die Menschen sind und wie gut oder schlecht vorbereitet.“ (Friederike Otto, der Freitag)
Otto kritisiert, dass der UN-Klimagipfel-Prozess bislang nicht das Notwendige erreicht hat, um einen schnelleren Wandel herbeizuführen, der der Mehrheit der Menschen zugutekommt. Dennoch sieht sie im internationalen Dialog und im Pariser Abkommen wichtige Errungenschaften, da der Klimawandel als Verstoß gegen die Menschenrechte anerkannt wird. Sie fordert, bestehende Institutionen zu stärken, statt sie zu demontieren, da ohne sie kein Wohlstand möglich sei.
Ein zentrales Beispiel für die Auswirkungen von Extremwetter ist die Hitzewelle 2021 im US-amerikanischen Pacific North-West, die mehr als tausend Todesfälle und enorme wirtschaftliche Schäden verursachte. Otto hebt hervor, dass funktionierende Frühwarnsysteme entscheidend für die Zahl der Todesopfer sind. In Regionen mit weniger Erfahrung im Umgang mit Extremwetter und mangelhafter Vorbereitung war die Opferzahl deutlich höher.
Extremwetterereignis | Todesopfer | Wahrscheinlichkeit (ohne Klimawandel) | Wahrscheinlichkeit (mit 2°C Erwärmung) |
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Hitzewelle Pacific North-West 2021 | über 1.000 | 1 zu 100.000 Jahren | 1 zu 5 Jahren |
Otto verweist auf eine Aussage eines Vorstandsmitglieds der Allianz SE, wonach wir auf dem Weg sind, einen Temperaturanstieg von 2,2 bis 3,4 Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau zu erreichen. Bei einem Anstieg von drei Grad seien viele Regionen nicht mehr versicherbar und Investitionen dort zu unsicher – der Kapitalismus wäre in dieser Form nicht mehr lebensfähig.
- Prognostizierter Temperaturanstieg: 2,2 bis 3,4 Grad Celsius
- Ab 3 Grad Erwärmung: Viele Regionen nicht mehr versicherbar
- Kapitalismus in aktueller Form wäre nicht überlebensfähig
Otto betont, dass der „faktenfreie Ansatz“ in der Klimadebatte ein Problem darstellt, da trotz zahlreicher Beweise und Daten die Fakten oft ignoriert werden. Sie sieht die Verantwortung für den Klimaschutz nicht nur bei Institutionen, sondern auch bei Einzelpersonen, Politikern, Geschäftsleuten und Wissenschaftlern.
Wichtige Erkenntnisse |
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Quelle: der Freitag, „Friederike Otto: Ungleichheit, Reichtum, Sexismus verschlimmern die Klimakrise“
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